Von stabilen Betriebssystemen und Bruchpiloten

Das ist das Gesetz von Bernoulli, erklärte mir mein Fluglehrer seinerzeit. Das mit dem Auftrieb an Tragflächen, meine ich. Damit so ein Flugzeug fliegt. Es ist ein Naturgesetz.
Seinerzeit ist schon länger her. Und wie das bei Naturgesetzen so ist: man kann sie nachlesen. Im Band Technik der berühmten deutschen Reihe Der Privatflugzeugführer steht da auf Seite 10:

Bernoulli stellte fest, daß innerhalb … eines Gases … hohe Strömungsgeschwindigkeit mit niedrigem Druck (Unterdruck) und kleine Strömungsgeschwindigkeit mit hohem Druck (Überdruck) verbunden sind.

Um es kurz zu machen (bevor der geneigte Leser einschläft): Durch die Wölbung einer Tragfläche an der Oberseite ist die Oberfläche größer als auf der Unterseite. Umströmt die Luft die Tragfläche – was beim Fliegen meist vorkommt – bewegt diese sich oberhalb der Tragfläche schneller (weil der Weg zur Hnterhinterkante der Fläche länger ist) als darunter. Dem Bernoulli zufolge existiert ein Unterdruck über und ein Überdruck unter der Tragfläche, also hebt sich das Ding.

Wie gesagt, ein Naturgesetz. Das gilt also unabhängig davon, wer es einem darlegt, auf welche Art oder ob man es überhaupt kennt. Man kann darüber lesen und es auch falsch verstehen oder auslegen, völlig egal. Es funktioniert dennoch.
Es gilt nicht nur in und für die Luft, es gilt für alle Gase allgemein, und sogar auf anderen Planeten. Jeder, der es kennt, kann es ausnützen, kann also Flugzeuge bauen, große Flugzeuge und kleine, rote, grüne oder blaue. Hält er sich an das Gesetz (was er in diesem Falle kennen muss) und versieht das Flugzeug mit einer entsprechend gewölbten Fläche, so wird diese, durch die Luft bewegt, Auftrieb erzeugen.
Hat man die Fläche so berechnet, daß bei einer bestimmten Geschwindigkeit gerade soviel Auftrieb erzeugt wird, um die Schwerkraft auszugleichen (nicht aufzuheben!), fliegt das Ding in konstanter Höhe.
Dieses schöne Gesetz von Bernoulli, der es natürlich nicht erfunden sondern nur entdeckt hat (jedenfalls ist es so überliefert) ist wie das Gesetz der Schwerkraft sozusagen ein offenes Protokoll. Es kann sich jeder auf vielerlei Art darüber informieren, was es so damit auf sich hat, in jeder Bibliothek oder Schule oder Universität. Es gibt keinen bestimmten Verlag oder Hersteller, der dieses Wissen exklusiv vertreibt oder überhaupt erst gar nicht weitergibt, geschweige denn Dementis, Gegendarstellungen oder dergleichen veröffentlicht.

Nicht alles, was uns gemeinhin selbstverständlich erscheint, uns scheinbar ein ganzes Leben schon begleitet, uns umgibt, hat diesen ewigen, unumstößlichen Charakter eines Naturgesetzes. Nehmen wir bloß diese allgegenwärtigen PCs als Beispiel. Das, was uns da heutzutage als Standard, als Computer schlechthin präsentiert wird, existierte nicht schon vor Anbeginn der Zeit, sondern wurde von einem gewissen von Neumann erfunden und nicht, wie bei Bernoulli, lediglich von ihm entdeckt, und mutierte im Laufe der Zeit von ganzen 127 darstellbaren Zeichen, verteilt auf eine Fläche von fünfundzwanzig Zeilen zu je achzig Zeichen, schön von links nach rechts und von oben nach unten zu lesen zu einer Welt aus Pixeln, und eine (graue) Maus sprang da quer durch. Da war dann nicht mehr nur der eine Bildschirm, sondern viele viele Vierecke, eingerahmt wie Fenster. Eine nützliche Angelegenheit war da erfunden worden, die heute zur Alltagskultur gehört. Die ganze Welt klickt sich mit der Maus durch die bunte Fensterwelt.

Das System, um dem Kind einen Namen zu geben, nannte man damals X-Window System. Und auch wenn man’s nicht glauben mag: Es existiert immer noch und wird auch heute noch so genannt.

Empfindliche Naturen muß webstalle jetzt aber vorwarnen: Die Einführung der grafischen Benutzeroberflächen, wie es umständlich heißt, kam nicht im Rahmen einer groß angelegten Produkteinführung zur Welt noch hat sie was mit einer Software zu tun, die das angelsächsische Pendant zu Fenster, Windows, im Namen führt. Das war erst später, als eine zu jenen Zeiten noch winzige Firma einen etwas rustikalen Programmlader aufkaufte und raffiniert als Betriebssystem für Platten unters Volk zu bringen verstand. Das kannte kein X-Window, nur den, wenn man so will, veralteten Textmodus mit den achzig Spalten und fünfundzwanzig Zeilen.
Etwas später dann muß wohl jemand von der Firma, die seit der Gründung winzig demutsvoll im Namen führt, so ein System mit Fenstern gesehen und ein wenig dran gespielt haben. Diese Begegnung blieb nicht ohne Folgen, und irgendwann erschien Winzigweich Windows auf der Bildfläche.

Mit dieser sogenannten HighTech-Branche hat es etwas Eigenartiges. Gesetze wie im Universum, die alles einheitlich und standardisiert regeln, gelten da höchstens auf der Ebene dieser silikonsüchtigen Bausteine wie Prozessor, EDO-Rams und andern Speicherkrams. Denn das Fenstersystem der ersten Stunde und das Plagiat von Winzigweich haben nichts gemein.
So als ob bei der Tragfläche eines Flugzeugs des Herstellers A für den Auftrieb eine Wölbung an der Oberseite benutzt wird (was, seit es Tragflächen gibt, getan wird) und welche des Herstellers B mit Wölbungen auf der Unterseite. Oder Dellen. Oder Sprüngen und Rissen. Kein Wunder, das die runterfallen

Also keine verbindlichen Gesetze im Reiche der Weichware? Nun hat sich webstalle einmal Zeit genommen und nachgedacht. In grauer Vorzeit, so erinnert er sich, war da jemand, kein Fluglehrer zwar aber doch gebildet, der erzählte was vonwegen Berechenbarkeit. Im Sinne von Weichware. Und das es nie und nimmer ein Programm, heutzutage Anwendung genannt, gäben könne, was berechnet, ob ein anderes beliebiges Programm nach endlich langer Zeit sich ordnungsgemäß beendet und außerdem noch ein brauchbares Ergebnis liefert. Das wäre quasi sowas wie ein Naturgesetz und gälte für alles in der Welt der Berechenbarkeit, was da so kreucht und fleucht. Das läßt sich sogar mathematisch beweisen. Ein Naturgesetz eben, welches sogar dann gilt, wenn man es, wie in webstalles Falle, nicht ganz versteht.
Neulich aber konnte webstalle die Auswirkungen dieses schönen Gesetzes, unter Fachleuten Halteproblem genannt, anschaulich beobachten. Erst den Computer unter Strom gesetzt, schon startet Winzigweich 95, übrigens ein direkter Nachkomme von Winzigweich Windows. Alsbald eine Weile flugsimuliert auf dem Ding, bis plötzlich nichts mehr geht. Das flugsimulierte Flugzeug bleibt einfach stehen, pardon, hängen, ein paar Tausend Fuß hoch, so ganz ohne Auftrieb und Bernoulli. Der Computer selbst war nicht Schuld, der ventilierte brav vor sich hin. Winzigweich hingegen hatte alle Aktivität eingestellt. Abgestürzt, sagen abgebrühte Kenner der Materie dazu. Also nix vonwegen terminiert oder angehalten, und auch kein vernünftiges Resultat geliefert.

Es gibt keine berechenbare Möglichkeit vorherzusagen, ob ein beliebiges Programm anhält oder nicht

flüstert die Stimme aus dem Off – war es Bill Gates, der da sprach?

Das Halteproblem existiert übrigens auch – leicht abgewandelt – in der Fliegerei. Es zeigt sich meist im Anhalten des zum Vortriebs benutzten Motors, fast immer vorne am Flugzeug zu finden, in einfacher Ausfertigung. Zudem ist der Eintritt dieses Ereignisses berechenbar. Die Menge des stündlich benötigten Benzins in Litern bemessen in Relation gesetzt zum Tankinhalt. Man kann auch Gallonen, das ist etwa das 3.6-fache, als Maßeinheit nehmen, die Menge des Sprits wird davon auch nicht mehr. Also, Tankinhalt geteilt durch Verbrauch pro Stunde, das ergibt eine schöne nichtnegative Zahl nahe bei Null; nach Ablauf dieser Zeit tritt das Halteproblem auf.

Natürlich hört sich das dramatischer an als es ist. Zwar liefert der Propeller keinen Vortrieb mehr, aber mit Hilfe der Schwerkraft, eines weiteren immer vorhandenen Naturgesetzes, läßt sich die vorhandene Höhe des Flugzeugs in Geschwindigkeit umwandeln. Man tauscht quasi Höhe in Vortrieb ein, solange bis keine Höhe mehr da ist. Dann hat es sich zwar mit dem Vortrieb, ein für allemal, aber der wird nicht mehr benötigt.
Natürlich kann man variieren. Den höchsten Vortrieb erzielt man durch schnellstmöglichen Höhenverbrauch, will sagen: man taucht mit der Nase voran direkt abwärts.
Man kann auch versuchen, möglichst wenig Höhe zu verlieren, und langsam zu Boden zu gleiten. So funktionieren Segelflugzeuge. Die Geschwindigkeit für bestes Gleiten nennt sich das, ist je nach Flugzeugtyp verschieden und sollte jedem Piloten oder Flugschüler bekannt sein. Bei der Cessna 152, diesem berühmten zweisitzigen Hochdecker, die man gern zur Schulung nimmt, sind das sechzig Knoten. Je höher man also fliegt, desto länger dauert der Gleitflug, und je mehr Zeit bleibt einem bei der Suche nach einem Acker oder einer Wiese. webstalle bekam es während der Schulung immer wieder eingetrichtert, und er weiß nicht wie oft schon diverse Fluglehrer bei ihm das Gas auf Leerlauf stellten und einen Motorausfall simulierten. Man übt es bis es einem in Fleisch und Blut übergegangen ist. So einfach geht das.

Ungleich schwerer lösen sich da doch die vielzähligen Halteprobleme im Reiche Winzigweichs. Je nach Erfahrung, Vorwissen und Abgeklärtheit beginnt man beim Staunen, Abwarten, nervösem Mausklicken. Schließlich bemüht man die Task Manege. Die verkündet dann, was man ohnehin schon weiß: Das Halteproblem ist eingetreten [Die Anwendung reagiert nicht]. Bei Winzigweichs 9er-Familie war’s das meist; die Möglichkeit zum Abbrechen oder Beenden der brach liegenden Anwendung machen die Task Manege oft zum nächsten Opfer.
Bei Winzigweich SB [SB=Stabiles Betriebssystem] ist man da besser dran. Das Halteproblem gilt natürlich auch für SB, aber die Task Manege kann meist helfen. Vielleicht ist sie ja eine mutierte Form des Halteproblems und daher immun.

Jetzt aber soll alles besser werden. Zwei neue Winzigweichs wurden in die Welt gesetzt. Das eine, die 2000 im Namen führend, kommt gerade passend zum Zeitgeist. Die Stabilität von SB ist da so selbstverständlich und wird gar nicht mehr explizit erwähnt [auf SB Technologie basierend]. Der andere Abkömmling geht da, folgt man der Namensgebung, sogar noch einen Schritt weiter: Millenium. Hier wird die 2000 zum Sonderfall, Millenium deckt gleich exemplarisch alle kommenden Jahrtausende ab. Es paßt sogar auf sich selbst auf und regeneriert sich, erfuhr webstalle. In letzter Verzweiflung gelöschte oder erneuerte Dateien werden aus der Hutschachtel hervorgezogen und ersetzt.
Das ist echte Innovation! Tritt das Halteproblem auf, wird es – schwupp – wegrestauriert. Wirklich, hier kann die Luftfahrt noch was lernen. Winzigweich Millenium’s Selbstreinigungskraft gehört nun endlich in jedes einmotorige Flugzeug. Dann gibt es auch keine Flugzeugabstürze mehr und keine Bruchpiloten, und die Zeitungen müssen Montag morgens nicht immer von unheilvollen Todesflügen berichten. Über Winzigweichs Halteprobleme hat webstalle noch nie etwas in der Zeitung gelesen. – Na?

Wenn Sie also webstalle fragen: Legen Sie sich die Millenium-Ausgabe von Winzigweich zu. Dann können Sie gefahrlos computern, internetten, oder flugsimulieren.
Sie können aber die paar Hunderter für Millenium auch für einen Wochenendkursus am Flugplatz springen lassen, oder zumindest für einen Rundflug und dann in der Fliegerkneipe das Erlebnis runterspülen.