Oshkosh 2021 – Welcome to the Show

By   June 10, 2021

Cancel Culture 2020: Airventure geht – SimVenture kommt

Als letztes Jahr Corona bedingt das bisherige Wirtschafts-, Berufs- und Privatleben einiges an Neu- und Umorientierung abverlangte und Massenveranstaltungen wie Messen abgesagt oder verschoben wurden, wie die Aero in Friedrichshafen, traf es auch den in Fliegerkreisen bekanntesten Event: das große Fly-In und Treffen in Wittman Field, Wisconsin, das AirVenture, gemeinhin bekannt auch als Oshkosh, benannt nach der gleichnamigen Stadt am Lake Winnebago.
Wurde noch im Vorjahr gerade erst das 50-jährige Jubiläum des AirVenture gefeiert, fiel auch dieses größte Event einem kleinen Virus zum Opfer.
Einige der Veranstaltungen wurden reorganisiert und fanden virtuell statt. Das große Fly-In selbst, der massenhafte Anflug von Flugzeugen aller Art, der berühmte Fisk Approach allerdings fielen aus; der Event wurde abgesagt.
Etwa zu diesem Zeitpunkt taten sich die EAA als Ausrichter des Events, NATCA als der Lotsenverband der USA, und PilotEdge, einem Anbieter virtueller ATC Dienste für Flugsimulatoren zusammen und überlegten, ob und wie das Fly-In virtuell umzusetzen sei.
Die Airport-Szenerie von Wittman Field, so der Name des Flugplatzes am Westufer des Lake Winnebago gelegen, wurde von PilotEdge extra für diesen Event überarbeitet; der Platz wandelte sich in das für Fly-Ins typische Erscheinungsbild aus Camping-Platz mit Zelten auf den Park und Rasenflächen; statt der Autos eben Flugzeuge aller Art: Einmotorig, zweimotorig, Hoch- wie Tiefdecker, Flugzeuge von der Stange und Selbstbauten; dicht an dicht reihten sie sich entlang der Runways 18 und 27.

Der Autor erinnert sich noch genau an den Moment, als er seinen Simulator, basierend auf X-Plane, letztes Jahr im Juni erstmals mit der neuen Szenerie aktivierte: Aus sonst leeren Flächen erwachte der Platz mit seinen Zelten, Flugzeugen und den Flagmen so recht zum Leben und erinnerte ein wenig an Tannkosh, ein vom Airventure inspiriertes Fly-In im deutschen Tannheim.
Der Event war ein beachtlicher Erfolg. Während beim realen AirVenture so um die zehntausend Flugzeuge innerhalb einer Woche gezählt werden, kam es an den auf vier Tage verteilten, insgesamt zwölf Stunden währenden Fly-In auf circa 1000 Flugbewegungen. Immerhin.

Der Fisk Approach
Der Plan war, ein virtuelles Fly-In mit dem Ziel, den Massenanflug von Flugzeugen aller Art, den berühmten FISK Arrival, nachzubilden. Bei diesem werden alle Flugzeuge von Süden kommend östlich am Green Lake auf die Stadt Ripon zu fliegen, um dann einer Eisenbahnlinie nach Norden zu folgen und das kleine Städtchen Fisk anzusteuern.
Ohne zu sehr in die Details zu gehen, sind solche Parameter wie Höhe und Geschwindigkeit genau einzuhalten, und konzentriert den Transmissions der Lotsen zu lauschen.
Im Gegensatz zum echten oder simulierten Flugfunk erfolgt der Initial Call durch den Approach selbst, nicht durch den Piloten, und auch nicht durch Nennung des Callsigns sondern durch Flugzeugmarke, Modell und Farbe, zum Beispiel:


Orange Cessna near Fisk, continue north, contact Tower on 118.5.


Oder

White Baron, turn west, follow Fisk Avenue, contact Tower on 126.6.


Diese Funksprüche werden auch nicht verbal zurück gelesen sondern nur durch Ausschläge des Querruders mit einem „Wackeln“ des Flugzeuges bestätigt:


Rock your wings if you understand.

Nach gleichem Schema folgt dann für die Freigabe durch den Tower zur Landung. Auch hier kein Zurücklesen, sondern nur der Wing-Rock.


2021: AirVenture kommt, SimVenture bleibt
Aufgrund dieses Erfolges wird das virtuelle Event, in Anlehnung an das reale Ereignis SimVenture genannt, nun wiederholt; nicht als Ersatz sondern als Ergänzung zu dem diesjährigen AirVenture 2021 in der letzten Juli-Woche; sei es als Einstimmung auf den Event, als ernsthaftes Vorab-Training für all jene Glücklichen, welchen die Anreise mit dem eigenen Flugzeug möglich ist oder für die große Zahl der Piloten in ihren Flugsimulatoren auf der ganzen Welt.
Unterstützt werden alle gängigen Simulatoren wie der neue FS2020 von Microsoft, X-Plane von Laminar Research und Prepar3D von Lockheed Martin.


Runways und ihre Dots: Traffic ist alles
Der Autor, selbst Inhaber einer US Pilotenlizenz, hat letztes Jahr an allen vier Tagen, von der ersten bis zur sprichwörtlich letzten Minute am Event mit einer klassischen Cessna 172 teilgenommen.
Vorausgegangen waren zahlreiche Platzrunden, um punktgenau in allen möglichen Landekonfigurationen aufsetzen zu können.
Punktgenau ist hier wörtlich zu nehmen: Um den hohen Verkehrsfluss an einem solchen Platz überhaupt managen zu können, sind nicht nur mehrere Runways gleichzeitig aktiv sondern auch ein Taxiway darf sich hier kurzerhand als dritte Runway (18L/36R) profilieren, sondern jede Runway selbst ist nochmals unterteilt in verschiedene Aufsetzzonen, sogenannte Dots und Squares. Was sonst sowohl beim realen Fliegen als auch in der Simulatorwelt ein absolutes NoGo ist – das simultane Nutzen einer Runway durch mehrere Flugzeuge – während des Air/SimVenture ist dies absolute Realität und Notwendigkeit und staatlich abgesegnet durch die FAA.
Auch das präzise Halten von Höhe und Geschwindigkeit (1800 Fuss, 90 Knoten) übte der Autor erneut über Stunden bis wirklich alles passte – sehr zum Misswillen seiner Frau. Alles erinnerte mehr und mehr an das reale Training zu Beginn der Flugausbildung.
Je näher dann der 21. Juli, der Beginn des SimVenture kam, desto mehr Flugzeuge fanden sich im Pattern und übten fleißig das Aufsetzen auf den Dots und Squares sowie den Anflug über Ripon und Fisk.


Welcome to the Show: 14. – 18. Juli
Was bleibt mir noch zu sagen? Als jemand, der vor 20 Jahren in den USA das Fliegen erlernte, die Shuttle Runway am Space Center im tiefen Überflug erleben durfte, in Schönhagen und Tannheim neben dem Flieger kampierte, inmitten anderer Flieger ein Gefühl der Gemeinsamkeit verspürte ohne es wirklich greifen, in Worte fassen zu können; der abends in der Dämmerung die Bahnbefeuerung sah, die bunten flackernden Lichter der Zeltleuchten; untermalt vom Sound der Hangarparty weiter vorn am Turmgebäude, der sah sich plötzlich dank eines Simulators, der passenden Szenerie, all der anderen einfliegenden Piloten und dem Erwachen des Funks auf Fisk Approach zurück versetzt in diese längst vergangene Zeit.
Und auch wenn Flugzeug, die Welt da draußen auf den Monitoren nur virtuell existiert; es ist schon ein ganz spezielles Gefühl zu wissen, dass am anderen Ende des Headsets FAA Lotsen diese Traffic, den eigenen Flug am Sim bearbeiten, mit all ihrer Erfahrung aus vielen ehrenamtlichen Diensten bei Fisk Approach oder Oshkosh Tower.

Nach knapp acht Jahren PilotEdge (als zahlender Kunde) noch ein paar Hinweise: Der Service ist hochprofessionell und in erster Linie zum Training und ausbildungsbegleitend für reale Piloten gedacht, aber auch für jene Simulatorpiloten mit einem hohen Anspruch an sich selbst. Der Event ist nicht der ideale Zeitpunkt, das gerade neu erworbene Simulatorpaket zu testen und die Grundlagen des Fliegens zu erlernen. Auch hier gilt es, vorab das einschlägige Notam zu lesen, sich eingehend mit den Anflugrouten und Frequenzen vertraut zu machen und beim eigentlichen Anflug Augen und Ohren offen zu halten.
Wem das alles ein wenig zu viel sein sollte: Dann lieber die unzähligen Streams und Videos auf Youtube genießen und sich vom Fliegerspirit inspirieren lassen, offline die grundlegenden Flugmanöver üben, weiter machen und vielleicht sogar den Sprung in die reale Fliegerei wagen.
Und nicht zu vergessen: AirVenture 2021 findet auch wieder statt, vom 26. Juli – 1. August; auch wenn für die meisten von uns in Deutschland aufgrund von Einreisebestimmungen weiterhin kein Vor-Ort Besuch möglich sein wird.
Wer jetzt plant, virtuell am Fly-In teil zu nehmen: Es beginnt am Mittwoch, den 16. Juli, und findet seine Fortsetzung am Freitag und Samstag und endet am Sonntag mit dem vier-stündigen Fly-Out.
Checkt regelmäßig Details zum eigentlichen Event unter SimVenture 2021 – PilotEdge.net; es gibt oft noch kurzfristige Änderungen technsicher Art.
Und hier als Appetizer gleich mal der Trailer zum diesjährigen Event: https://youtu.be/Z-VejH4YwrE:
Welcome to the Show!

Keith Smith, Gründer von PilotEdge über SimVenture

Wann entschied sich PilotEdge erstmals, SimVenture durchzuführen?

Es handelte sich um eine über mehrere Jahre wiederkehrende Diskussion. Vor 2020, votierte ich dafür, die Idee nicht weiter zu verfolgen, wegen unzähliger technischer und operationeller Gründe. Der selbst erzeugte Druck, es „richtig zu machen“ war sehr real. Wie alle Piloten lag uns AirVenture sehr am Herzen. Es ist kein einfaches Unterfangen, einen solchen Event nachzubilden.

Wie auch immer, der Beginn der Pandemie führte zur Absage von AirVenture 2020, und somit sahen wir uns die Sache nochmal neu an. Falls es je ein Jahr gab, das Ding zu machen…dann 2020.
Ich hatte ein langes Gespräch mit Kevin Meyers (unserem Social Media und Marketing Koordinator) der sich sehr für SV2020 einsetzte. Das Gespräch verlief ungefähr so: „Nun, zunächst müsstest Du Dir dieses Problem anschauen…das man wahrscheinlich so und so lösen könnte…aber dann gibt es ein anderes Problem, welches, so vermute ich, auf diese oder jene Weise lösen könntest…“. So lief es ab.

Schließlich hatten wir eine lange Liste mit Problemen und möglichen Lösungen.

Mit all diesen Dingen im Hinterkopf arrangierte Kevin Testläufe mit ein paar von unseren Controllern und einer kleinen Gruppe von Piloten. Der Prototyp Event verlief gut, und so entschieden wir uns, es umzusetzen.

Während ich die Idee, es zu versuchen seit Jahren im Hinterkopf hatte, war es Kevins Initiative und die Hilfe von Szenerie Entwicklern und ein kleiner Pool von Piloten, die halfen zu testen was wirklich etwas bewegte.

Was folgte, war eine Menge technischer Entwicklung, die „Wing Rocks“, die Farbe und das Modell der Flugzeuge und eine Menge anderer Schankerl auf dem Radarschirm erkennbar zu machen. Auch gab es eine Menge Arbeit bei der Entwicklung der Flugzeugdarstellungen bei einem sehr engen Zeitrahmen. Das war ein 3 bis 4 wöchiger Sprint mit unzähligen 18 Stunden Tagen. Wir wurden fertig mit einer Reserve von einem halben Tag. Der [Ford] TriMotor wurde in der allerletzten Minute hinzugefügt, dank einer enormen Anstrengung zweier Piloten, die sie während der ganzen Show flogen.

Was das Timing angeht, die Arbeit begann ungefähr 4 – 5 Monate vor dem Event, falls die Erinnerung nicht trügt. Nachdem der Prototyp gut lief, wandten wir uns an die EAA und dann an die NATCA, um deren Interesse an einer Mitarbeit zu sehen.

Der Rest ist Geschichte.

Wann entschied sich PilotEdge, SimVenture 2021 zu starten?

Ungefähr 20 Minuten nach dem Start am ersten Tag von SimVenture 2020. Das war sowas wie eine todsichere Sache.

Wieviel Zeit wurde von der PilotEdge Mannschaft in die Vorbereitung von SimVenture 2021

Hunderte von Stunden durch unzählige Personen, und die Arbeit geht jeden Tag weiter.

So wie im letzten Jahr werden auch diesmal echte FAA Lotsen den SimVenture Verkehr abarbeiten. Werden diese Lotsen auch den realen Flugverkehr des Ende Juli stattfindenden AirVentures bearbeiten?

Die Dienstplanung ist noch abzuschließen. Aufgrund des Timings von SimVenture und AirVenture ist es unklar, ob jene, die den Verkehr der Show [AirVenture] bearbeiten die Zeit haben werden, bei SimVenture dabei zu sein, wir haben jedoch die Verfügbarkeit unzähliger Lotsen sicher gestellt, welche bei der Show [AirVenture] gearbeitet haben.

Wieviele FAA Lotsen werden bei SimVenture 2021 Dienst tun?

Die Dienstplanung ist noch abzuschließen, aber wir hoffen, FISK Approach und getrennte Abflug/Anflug Lotsen für jede Runway zu haben. Letztes Jahr war Abflug/Anflug kombiniert, aber es gab verschiedene Lotsen für jede Runway.

Wird die PE Mannschaft auch an vorderster Front am Funk oder im Hintergrund arbeiten?

In Hinsicht auf SimVenture überwachen und assistieren sie im Hintergrund, da die NATCA Lotsen keine weitreichende Erfahrung mit dem PE System im Ganzen haben. Es gibt simulationsspezifische Eigenheiten, welche in der realen Welt nicht existieren. Es ist und völlig klar, das die Beteiligung erfahrener AirVenture Lotsen ein Gücksfall für den Event ist, besonders da so viele unserer Teilnehmer das AirVenture tatsächlich angeflogen haben.

Wird der reguläre PE ATC Dienst zu den Zeiten an denen SimVenture online ist, weiterhin zur Verfügung stehen?

Natürlich! Wir bleiben weiterhin dem 15×7 Zeitplan verpflichtet, SimVenture ist jedoch solch ein einzigartiges Erlebnis; wir empfehlen ausdrücklich unserer Community, den Event zu geniessen.

Wird PE persönlich beim realen AirVenture vor Ort sein?

Wir sind oft vor Ort im Rahmen unserer Unterstützung des EAA Pilot Proficiency Centers. Aufgrund der COVIS Beschränkungen (besonders die Problematik der geteilten Headsets im Simulator Center), wurde entschieden, mit Simulator-Szenarien ohne ATC Unterstützung weiter zu machen; daher ist es unwahrscheinlich, das wir in diesem Jahr dabei sein werden.

Gab es einen signifikanten Anstieg von Anfragen in Bezug auf SimVenture 2020? Gab es auch einen signifikanten Anstieg bei den [kostenpflichtigen] Abonnements?

Es gab wirklich einige wenige neue Abonnements als Folge der Beschäftigung der Leute mit PilotEdge als Teil von SimVenture. Ich bin mir nicht sicher, ob dies die Kosten, all das zustande zu bringen, ausgeglichen hat, aber wir haben dies immer als ein eine wertvolle Bemühung betrachtet, da ich denke, der Geist von AirVenture wurde sehr während SimVenture 2020 sehr gut eingefangen.


Über den Autor
Der Autor erlernte das Fliegen in den USA in Texas und Florida.
Virtuell fliegt er seit 2013; seitdem besteht auch die PilotEdge Mitgliedschaft.
Außerdem ist er als Engineer on Duty bei der Deutschen Flugsicherung tätig und hält Ausbilder- und Prüferlizenzen.

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